Martin-Luther-Haus
Die ehemalige Scheune dient heute als Gemeindehaus der Ev. Kirchengemeinde Nordhofen.
Basduursch Schouwer heute Martin-Luther-Haus
Basduursch Schouwer
heute
Martin-Luther-Haus
Eine sehr persönliche Darstellung
Seit ich mich erinnern kann, gehörte die Basduursch Schouwer zu meinem täglichen Anblick. Schließlich bin ich zwischen der Schule, der Wohnung meiner Eltern und Schmecks Haus, der Wohnung meiner Oma, groß geworden.
Da stand sie, die alte Pfarrscheune. Sie stand schon lange da, meine Urgroßmutter wusste, dass sie schon da stand, als sie Kind war. Sie war in einer Zeit gebaut worden, als der Pfarrer noch eine eigene Landwirtschaft betreiben oder betreiben lassen musste. Die Kirche besaß – und besitzt noch heute – eigene Grundstücke in der Gemarkung. Die wurden genutzt, um die Pfarrersfamilie zu versorgen.
Das ist ja auch heute noch nachzuvollziehen, denn außer der Scheune gibt es ja das ehemalige Stallgebäude, das heute als Garage genutzt wird. Dieses Gebäude hat einen recht großen Speicher, was darauf schließen lässt, dass dort größere Vorräte gelagert wurden.
Aber zurück zur Scheune: Sie sah in meiner Kindheit anders aus, wie wir heute das MLH kennen. Das Grundgebäude war natürlich so, wie wir es heute kennen. Aber es sah aus, wie ein Gebäude aussieht, das eigentlich schon lange nicht gebraucht und deshalb nicht gepflegt wird. Das Gebälk war grau und an manchen Stellen schon vermodert, das Dach war an manchen Stellen undicht, das Haus war eben uralt und niemand kümmerte sich richtig darum.
Am Giebel zum Gemeindeplatz hin, gab es einen Anbau, der heute nicht mehr da ist. Ein Dach war da angehängt, unter dem die alten Leitern und die Einreißhaken der Feuerwehr vor Regen geschützt lagen. Das „Leiterhäuschen“ war uns Kindern ein oft genutzter Spielplatz. Da konnten wir klettern, über die Leitern balancieren, uns verstecken, heute wäre das wohl zu gefährlich, oder es wäre ein ausgewiesener Abenteuerspielplatz, aber dann sicher mit Fallschutzmatten.
Auch die Scheuer war uns recht geläufig, denn auch in ihr konnte man prima spielen. Aber eigentlich durften wir das nicht. Da standen ein paar Leiterwagen drin, die nur für die Ernte gebraucht wurden und den Rest des Jahres da geschützt standen. Und die hatten Spielpotential! Da konnte man klettern, an den Bremsen drehen, sie auch mal verschieben, aber das durfte man ja nicht, es war gefährlich oder wir konnten etwas „ruinieren“, wie Scheiers Heinrich sagte. Der war unser Küster und wohnte der Scheune genau gegenüber. Er fühlte sich verantwortlich und war sehr daran interessiert, dass wir nichts ruinierten, denn zwei der abgestellten Wagen gehörten ihm.
Die Scheune war innen eine Scheune. Da gab es über der Tenne ein „Gebühn“, einen mit Rundhölzern belegter Überbau. Dahin führte eine Leiter, deren Sprossen zwischen zwei Ständerbalken lagen. Diese Sprossen hatten ihre beste Zeit lange hinter sich, und so waren sie nicht sehr standfest. Sie wackelten, die eine oder andere war so morsch, dass auch schon mal eine durchbrach. Wer sich da nicht richtig festhielt, hatte nachher Beulen.
Damit nichts passierte, war das Scheunentor verschlossen. Ein Riegel in einer Höhe. Die wir „Pänz“ nicht erreichen konnten, verhinderte das Öffnen des Tors, eigentlich. Aber wenn man zu zweit an dem einen Flügel zog, konnte man es einen Spalt öffnen, der das Durchschlüpfen möglich machte. Aber es gab noch einen Zugang: Im Leiterhäuschen war ein Gefach teilweise weg, da konnte man durchkriechen. Aber der Nachteil war, dass das Loch recht hoch über der Tenne lag und man sich schon weh tat, ehe man in der Scheune war.
Als wir 1949 an den Rhein zogen, fehlte mir die Scheune sehr. So etwas gab es in Kaub nicht, und ich war froh, wenn ich in den Ferien zu Hause wieder die Scheune nutzen konnte. Aber das war recht bald zu Ende: Der neue Pfarrer achtete darauf, dass wir nicht in die Scheune gingen, wir kamen auch nicht mehr da rein, weil die Schlupflöcher zu klein wurden. Nein, sie wurden gar nicht kleiner, aber wir wurden zu groß dafür. Und so verlor die Scheune ihre Faszination und ich sah sie nur noch als altes Teil, das niemand mehr brauchte.
Irgendwann hörte ich dann, dass die Kirchengemeinde die Scheune abreißen wolle, um dort ein neues, modernes Gemeindezentrum zu bauen. Bei meinen nun nur noch seltenen Besuchen zu Hause war die Scheune nicht Gesprächsinhalt. Bis dann eines Tages etwas für mich Überraschendes geschah: Um die Scheune war ein Gerüst aufgebaut und Handwerker waren damit beschäftigt, das Dach in Ordnung zu bringen.
Da gab es inzwischen den Beschluss des Kirchenvorstands, aus dem fast Schandfleck Basduursch Schouwer ein Gemeindehaus zu machen.
Nach intensiver Planung wurde die Scheuer zum Martin-Luther-Haus umgebaut. Welch ein Glück für Nordhofen. Da wurde ein uraltes Schätzchen erhalten, wurde zu neuem Leben erweckt und zu einer Zierde für das Dorf.
Das ist meine ganz persönliche Meinung, die wohl verständlich ist, wenn man im Schatten der Schouwer aufgewachsen ist. Vielleicht wäre es ja „besser“ gewesen, wenn dort ein gebrauchsoptimiertes Gemeindezentrum gebaut worden wäre. Die Räume hätten andere Formate gehabt, wären optimaler zu nutzen gewesen. Der Unterhaltungsaufwand wäre vielleicht geringer gewesen, die Gemeinde hätte sich moderner gefühlt. Vielleicht?
Nun aber steht dieses Zeugnis für eine vergangene Zeit mitten im Dorf, und ich hoffe, dass es noch lange so bleibt. Aber das ist nicht zum Nulltarif zu haben: Seit der Renovierung sind schon viele Jahre vergangen, und der Zahn der Zeit nagt auch am MLH beständig. In den Zeiten der Pandemie wurde das Haus kaum genutzt und war deshalb nicht so sehr im Blick. Aber bei genauem Hinschauen fallen einige Stellen ins Auge, die deutlich machen, dass hier in naher Zukunft Arbeiten anstehen. Je weiter sie in die Zukunft verschoben werden, umso größer wird die Gefahr, dass erhebliche Schäden entstehen.
Rainer Hummel, Feb. 2022